Petros und sein ganz großer Tag

 © lyrikjo                   

 Petros und sein ganz großer Tag

Petros war ein sehr alter Mann, bestimmt schon 100 Jahre, wenn nicht sogar älter.

Da er jedoch nie eine Familie hatte, er war als Findelkind in einem Heim für Jungen aufgewachsen, wusste weder er, noch jemand anderes, wann er genau geboren war.

Eine Sache aber war für Petros sonnenklar! Er war durch und durch ein Grieche. Genau gesagt, ein Mann aus Saloniki.

Im Laufe der vielen Jahre lernte er viele Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern kennen.

Das hat sich durch seine Arbeit als Stadtführer ergeben. Und weil Petros unnachahmlich gut die Touristen durch seine Hafenstadt mit all ihren historischen Plätzen, den alten Skulpturen und Museen führte, bekam er jedes Mal noch einen zusätzlichen Obolus von den Leuten zugesteckt.

Er sparte und sparte und gab nur das Nötigste für sich selbst aus. Alle, die ihn persönlich kannten, dachten, dass er ein alter Geizkragen sei. Wurde er gefragt, was er denn mit dem ganzen gesparten Geld mache, dann zuckte Petros lächelnd mit den Schultern und sagte nur:

„Ich spare für den ganz großen Tag!“

Doch so recht wusste er es selber nicht. Es war einfach nur ein tiefes, inneres Gefühl, dem er folgte.

Eines Tages, als Petros wieder eine Touristengruppe durch seine Stadt führte, bekam er von einem kleinen Mädchen eine Münze geschenkt. Als er diese in seinen Hut zu den anderen warf, kam es ihm plötzlich vor, als würde der Hut 20 kg wiegen.

Mühsam schleppte er sich mit dem schweren Hut zu seinem Haus, das ein wenig außerhalb von der Stadt lag. So erschöpft wie nie zuvor, schlurfte er mit bleiernen Beinen zu seinem Bett. Kaum, dass er seine Augen geschlossen hatte, übermannte ihn ein tiefer Schlaf.

Petros träumte einen seltsamen Traum: Er sah das kleine Mädchen, das ihm die Münze geschenkt hatte. Es saß auf einer herrlichen Blumenwiese, umgeben von einer prächtigen Blütenpracht und herumflatternden Schmetterlingen.

Das Mädchen strahlte ihn fröhlich und unbekümmert an und sprach zu ihm:

„Petros, du bist schon so alt, dass dein großer Tag gekommen ist, an dem ich dich zu deinem neuen Zuhause führen werde. Die Zeit ist reif Saloniki zu verlassen. Doch vorher musst du dein ganzes gespartes Geld an arme Menschen in deiner Stadt verschenken. Denn hier, wo du bald sein wirst, brauchst du es nicht mehr.“

Petros fühlte eine unglaubliche Liebe und Leichtigkeit in seinem Herzen. Er wünschte sich, gar nicht mehr aus dem Traum zu erwachen. Doch schon die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages weckten ihn wieder. Mit unerklärlichem Schwung bereitete er sich auf den neuen Tag vor. Da war jedoch noch etwas. Petros holte keine Touristen mehr vom Hafen ab oder sonst woher.

Er stellte sich ohne den geringsten Zweifel an eine Ecke des Marktplatzes und verteilte sein ganzes Geld, das er all die vielen Jahrzehnte angespart hatte, an vorübergehende Menschen. Dabei schaute er ganz genau hin, wer es am meisten brauchen könnte.

Als er das letzte Geldstück verschenkte, es war die Münze, die ihm das kleine Mädchen geschenkt hatte, sank er leblos zu Boden.

Als die Polizei eintraf, fand sie nur noch einen Petros vor, der für immer eingeschlafen war.

„Schau“, sagte verwundert einer der Polizisten, „der alte Mann sieht ja richtig glücklich aus!“

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